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Psychoanalyse und Philosophie e. V., Düsseldorf
Mitglied in der Akademie für Psychoanalyse und Psychosomatik Düsseldorf e. V.
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  • Pathognostische Kriterien von Krankheit

Pathognostik (gr. pathos: Schmerz, Krankheit, Unglück, Leidenschaft; gnosis: Erkennen, höhere Einsicht) = Erkenntnis durch Krankheit, Krankheit als Erkenntnisinstanz selber, als Erkenntnis 'am falschen Ort'.

Das Licht der Welt erblickte der Begriff der Pathognostik in der von Rudolf Heinz geleiteten konstituierenden Sitzung der "Arbeitsgruppe für Anti-Psychoanalyse" am 6. Juni 1982 (vgl. DIE EULE. Diskussionsforum für rationalitätsgenealogische, insbesondere feministische Theorie; zugleich Organ der Arbeitsgruppe für Anti-Psychoanalyse Wuppertal/Düsseldorf. Sondernummer "Psychoanalyse", hg. von Heide Heinz, Lollar: Prolit-Buchvertrieb [in Komm.] 1982).

In den in diesem Heft publizierten "Arbeitsblättern für Pathognostik" (a.a.O., S. 144 -151) demonstriert Rudolf Heinz (am Beispiel der Brückenphobie) die Abgrenzung der Pathognostik von der Psychoanalyse. Die Psychoanalyse nehme das phobische Symptom der "Gebrauchssperrigkeit" zum Anlass, am phobischen Objekt zu unterscheiden:

  • die "schiere Essenz, eben nicht mehr zu bedeuten, als was es bedeutet" (ebd., S. 144)
  • die "subjektiv-projektiven Zutaten, die seine unschuldige Essenz verhexen" (ebd.).

Dagegen behauptet die Pathognostik, dass die vermeintlich bloß subjektiv-projektiven Zutaten das Phantasma der Produktion des jeweiligen phobischen Objekts im Modus der Unbewusstheit seien: "Das hergestellte Unbewusste - eh objektivitätsekstatisch: so lautete der in keiner Weise graduelle Unterschied zwischen Patho-Gnostik und Psychoanalyse" (a.a.O. S. 145). Inwiefern aber kann die Pathognostik solche Identität der 'kranken' subjektiven Zutat mit der 'normalen' objektiven Dingtautologie behaupten? Sie kann dies, insofern Brücken "weder vom Himmel gefallen sind noch sich isoliert der der Natur zugewandten Ichpotenz, vielmehr dem menschlichen Gesamtvermögen (einschließlich der Triebausstattung) verdanken." (Rudolf Heinz, Dialogue Interieur über Pathognostik versus Psychoanalyse, in: KAUM, Halbjahresschrift für Pathognostik, Band 4, Die Dinge und die Krankheit, hg. von Rudolf Heinz, Wetzlar: Büchse der Pandora 1987, S. 12.)

Die Kritik der Pathognostik an der 'subjektivistischen' Psychoanalyse ist demgemäß nicht Kritik an einer etwa wissenschaftlich nicht objektivierbaren, ergo 'subjektiven', Psychoanalyse. Das wäre eher eine wissenschaftsideologische Kritik, deren Zweck der einer präventiven Tabuierung einer psychoanalytischen Aufklärung der Triebgrundlagen der Wissenschaft selbst ist: welche Kritik in der kritisierten Psychoanalyse bereits deren pathognostische Verschärfung präventiv bekämpft.

Allerdings teilt die Pathognostik solche Kritik da, wo es gilt, die psychoanalytische Reduktion auf den Familiarismus, auf das "Kinderkram-Unbewusste", 'aufzuheben'. Es gilt vielmehr, das instabile Gleichgewicht der Vermittlung der Symptome von Subjekten und dem tautologischen 'Makro-Unbewussten' zu wahren, weder das Subjekt als Träger der ungewöhnlichen Erkenntnis affirmativ zu überhöhen, noch das, woran es zu tragen hat, als eben bloß seine persönliche Spinnerei abzutun.

Nach Rudolf Heinz*) orientiert sich das pathognostische Krankheitskonzept - stets ausgehend von der Gebrauchssperre - an vier Wesensmerkmalen von Krankheit:

I. Erkenntnisanstoß (Trauma): Der in Krankheit abgesperrte Gebrauch, die Krankheit definierende Störung, fungiert als Anstoß einer 'ungewöhnlichen' Erkenntnis oder, anders formuliert: als Aufhebung der im Dienst des normalen Funktionierens eingeübten Verkennung. (Krankheit als eine Art Verletztheit.)

II. Opposition (negatives Phantasma): Als Gebrauchssperre opponiert das Symptom gegen die 'gewöhnliche' Verkennung des Normalgebrauchs. (Krankheit als projektiv gewaltrepräsentierende Anklage.)

III. Opfer (negatives Trauma): Der Normalgebrauch wird geopfert. An Stelle des Erkenntnisanstoßes tritt eine Vermeidungsstrategie, die jedoch den Anstoß bereits voraussetzt. Entsprechend wird die Verkennung der gewalthaften Normalität zwar oppositionell aufgehoben, jedoch, indem sie ineins mit der Besetzung der Erkenntnis, dem neuerlichen traumatischen Anstoß, vermieden wird. (Krankheit als Selbstkonstitution.)

IV. Zerstörungsaneignung (positiv negatives Phantasma): Es wird durch Opposition und Opfer nicht der weiterhin abgesperrte Normalgebrauch rückangeeignet, wohl aber dessen 'Erkenntnisanstößigkeit'. Krankmachend angeeignet wird die - allererst krankmachende - zerstörerische Gewalt der Referenzobjekte dieser ungewöhnlichen Erkenntnis. (Krankheit als Selbstverletzung, Gewalt gegen sich, als nur in solcher Negativität gelingende Selbstbemächtigung.)

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*) Vgl. Rudolf Heinz, Was ist Patho-Gnostik? In: KAUM. Halbjahresschrift für Pathognostik, Band 1, hg. von Rudolf Heinz, Wetzlar: Büchse der Pandora 1984, S. 10 - 17. Sowie:
Rudolf Heinz, Ausführung und Verbesserung der pathognostischen Krankheitskriterien: Erkenntnisanstoß, Opposition, Opfer, Zerstörungsaneignung. In: KAUM. Halbjahresschrift für Pathognostik, Band 2, hg. von Rudolf Heinz, Wetzlar: Büchse der Pandora 1986, S. 27 - 31.
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Der Topos der "ungewöhnlichen Erkenntnis" berücksichtigt die gesellschaftliche Bedingtheit der Definition von Krankheit. Was in bestimmten Gesellschaften als krank gilt, kann in anderen als gesund gelten. Entsprechend kann, was in der einen Gesellschaft als deren pathologisierte Aufklärung tabuiert wird, in der anderen mangels Tabuierung auch nicht als ungewöhnliche (Selbst-)Erkenntnis dieser Gesellschaft (dys-)fungieren. Wiederum in pathognostischer Manier bleiben diese Differenzen im Rahmen der Globalisierung, die diese kulturellen Differenzen gleichzeitig 'aufzuheben' (emporzuheben, zu negieren, zu bewahren, kurz: zu produzieren) trachtet, weiterhin zu bedenken.